Dammklassen
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Die Dammklassen zwischen Aeuli und Maladorfner Hanfland

    

   

   

Von Kurt Vorburger

 

Liebevoll gehegte und gepflegte Äcker, meist in kleine und kleinste Parzellen aufgeteilt, prägen das Bild entlang des Kanals zwischen Maladorfner Hanfland und Aeuli an der Seveler Grenze. Feldhütten und herausgeputzte neuere Häuschen oft unter alten Mostobstbäumen Schutz suchend, grenzen die Felder gegen Westen hin ab. Der Spaziergänger auf dem Weg entlang der westlichen Seite kann eine erstaunliche Vielfalt an verschiedenen Nutzpflanzen feststellen: Beete mit allerlei Gemüse, Kartoffeln, Beeren oder gelegentlich ein kleines Plätzchen „Türgga" (neu auch Ribelmais genannt) fügen sich zu einem bunten Mosaik zusammen. Vereinzelt klettern an der Südseite der Holzhütten gar Reben empor.

Die Klassen am Damm

Die bis heute gebräuchliche Bezeichnung Dammklassen bezieht sich auf die Lage hinter einem der in gewissen Abständen errichteten Dämme, die unser Dorf noch bis Ende des letzten Jahrhunderts von den Hochwassern des Rheins schützten. Vermutlich handelt es sich dabei um die stellenweise (bei der Kanalbrücke Burgerau) noch erkennbare und als Strasse benutzte Erhöhung entlang der östlichen Seite des Kanals.

Noch ruhen die Dammklassen im Vorfrühling.

Die Bodenreform während dem Krieg

Die heutige Nutzung der Dammklassen als Pachtland für Kleinpflanzer geht auf die unter allerlei Wirren zustande gekommene Güterzusammenlegung während dem letzten Weltkrieg zurück. Vor diesen grundlegenden Reformen war der grösste Teil des Buchser Ortsgenossenguts in der fruchtbaren Rheinebene in Klassen zu 12 Aren eingeteilt und wurde als Pflanzland den Ortsbürgern zur Selbstversorgung zugeteilt. Nach alter Ordnung erfolgte die Zuteilung ohne Rücksicht auf die Lage des Heimwesens. Ein Bodenabtausch konnte praktisch nur in mühseligen Verhandlungen erreicht werden. Bodenbezüger, die den Acker nicht selbst bewirtschafteten, verpachteten diesen jedes Jahr von neuem an Landwirte. Dieses Pacht- und Unterpachtsystem sowie die starke Parzellierung hatten eine unrationelle Bewirtschaftung der fruchtbaren Ackerfläche zur Folge, was vor allem für den Teil der Bevölkerung, der ausschliesslich vom Ackerbau lebte, besonders schwer wog. Einer zunehmenden Anzahl fortschrittlich denkender Buchser Ortsbürger war klar, dass Reformen dringend nötig waren. Michael Schwendener-Hess, seit 1939 Präsident des Ortsverwaltungsrates, setzte sich denn auch mit Nachdruck für eine Neugestaltung des Pachtsystems ein. Die Probleme sollten mit verschiedenen Massnahmen gelöst werden: Neuzuteilung von Parzellen à 50 Aren für Landwirte und Grosspflanzer an der Peripherie und, im Gegenzug, Zuteilung kleinerer Flächen an Kleinpflanzer in Dorfnähe sowie die Aufhebung der Unterpacht mit ihren besonders negativen Folgen wie Zersplitterung und Pachtzinstreiberei. Bald jedoch formierte sich Widerstand, vor allem aus Kreisen des  Ortsbürgerbundes. Die Gegner, die in vielen Fällen auf eine Einnahmequelle verzichten mussten, warfen den Reformern vor, die Ortsgemeinde zu untergraben und deren Abschaffung Vorschub zu leisten. In der denkwürdigen Abstimmung vom 14. März 1943 wurde die vom Ortsverwaltungsrat angestrengten Reformen mit 241 Ja- zu 314 Nein-Stimmen klar verworfen. Die Befürworter gaben sich jedoch nicht geschlagen und gelangten mit einer Petition um Intervention an den Regierungsrat. Sie begründeten diesen Schritt damit, dass unter den vorherrschenden Bedingungen der Anbauplan nicht erfüllt werden könne. Der Regierungsrat beschloss daraufhin in Anwendung des während den Kriegsjahren geltenden Notrechts, dass das Ortsgemeindegut ab der Anbauperiode 1943/44 im wesentlichen nach den vorliegenden Reformplänen zu bewirtschaften sei. Weitere Versuche der Gegner, die Neugestaltung der Bewirtschaftung zu verhindern, scheiterten in der Folge. Selbst der im November 1945 aus Kreisen der Reformgegner neu bestellte Verwaltungsrat war schliesslich einsichtig genug, das alte Bewirtschaftungssystem nicht wieder einzuführen.

Vom Rüebliacker... 

Das Gebiet entlang des Kanals zwischen Maladorfner Hanfland und Aeuli wurde im Zuge der Güterzusammenlegung für die Kleinpflanzer in Räfis-Burgerau ausgeschieden.

Die Dammklassen im Gebiet entlang des Werdenberger Binnenkanals zwischen

Maladorfner Hanfland und Aeuli. (Ortsplan der Gemeinde Buchs).

Interessierte Ortsbürger-Ehepaare hatten grundsätzlich Anspruch auf mindestens eine sogenannte Buchser-Klasse (seit der Zusammenlegung neu 1250m2), für die sie jährlich einen Pachtzins von rund 40 Franken zu entrichten hatten. Ob Arbeiter, Angestellter oder Handwerker, es gab im südlichen Dorfteil kaum einen Berufsstand, der nicht im Nebenerwerb noch eine Dammklasse bewirtschaftete und damit den in der Nachkriegszeit bescheidenen Lohn aufbesserte. Angebaut wurde allerlei Gemüse für die Selbstversorgung. Eine Feldfrucht dominierte aber während Jahren das Bild entlang des Kanals: das Rüebli. Der sandige Boden war einerseits geradezu ideal für deren Anbau und andererseits war die Nachfrage der aufstrebenden Konservenfabriken nach den roten Knollen während Jahren zunehmend. Die Ernte, das sogenannte „Rüabla" war reine Handarbeit, bei der die ganze Familie mithelfen musste. Viele Räfiser und Burgerauer verbrachten als Schulkinder einen grossen Teil ihrer Sommerferien auf dem Feld. Wer erinnert sich nicht an die langen Arbeitstage, an das Mittagessen unter einem schattigen Baum? Um die Arbeit auch bei widrigem Wetter nicht unterbrechen zu müssen, wurden mitten in den Äckern einfache Hütten errichtet. Sie bestanden meistens nur aus vier Pfählen und einem Dach aus verbogenen Blechen. Als Windschutz dienten aufgespannte Säcke, Tücher oder löcherige Blachen.

Die Erträge waren normalerweise ausgezeichnet und erzielten für die damaligen Verhältnisse auch einen guten Preis: so erhielt der Kleinpflanzer für die Ernte einer Klasse in den sechziger Jahren rund 1000 bis 1200 Franken.

...zum Freizeit-Feld

Der technische Fortschritt machte auch vor dem Rüeblianbau keinen Halt: gegen Ende der sechziger Jahre tauchten die ersten Erntemaschinen auf. Sie ermöglichten einen viel grossflächigeren Anbau dieser Feldfrucht und verdrängten in wenigen Jahren das „Rüabla" von Hand. Viele Kleinpflanzer verloren in dieser Situation das Interesse an der Dammklasse, zumal auch die Selbstversorgung infolge der stetig wachsenden Einkommen immer weniger attraktiv erschien. Sie kündigten deshalb ihren Acker, der dann meist von einem Bauern übernommen wurde. Der Trend zur Selbstversorgung mit unbelastetem Gemüse und der Wunsch, als Ausgleich zur bewegungsarmen beruflichen Tätigkeit ein Stück Erde selbst zu bestellen, haben das Interesse an den Dammklassen in den letzten Jahren wieder stark zunehmen Iassen. Vor allem bei jungen Familien mit Kindern sind sie heute wieder besonders beliebt. Die Äcker entlang des Werdenberger-Binnenkanals sind aber auch ein eindrückliches Beispiel dafür, wieviel ein auf den ersten Blick unscheinbarer Landstrich beim genaueren Hinschauen und Nachforschen zu erzählen weiss.

  

Literaturnachweis:

Ernst Rohrer, Hansjakob Gabathuler: Bodenkrieg der Ortsbürger, Werdenberger Jahrbuch 1996, S. 167 ff.

Dank:

Der Autor dankt Herrn David Blumer (Schreiber Ortgemeindeverwaltung Buchs 1957 - 1978) und Herrn Jakob Schumacher (Aktuar Werdenberger Binnenkanal Unternehmen) für wertvolle Informationen.

  

  

  

Copyright © Oktober 2004 Roger Bächer  Alle Rechte vorbehalten.  Stand: 01.12.2004

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